Warum nicht?

Warum handle ich nicht schneller, deutlicher? Warum mach ich nicht mehr gegen die Probleme unserer Zeit?

Zu diesen Themen habe ich in letzter Zeit bemerkenswerte Texte gelesen. Die Autoren haben da ganz interessante Thesen vertreten – und auch gleich Gegenargumente angeführt:

  • „Ich alleine kann eh nix machen“. Ein sehr beliebtes Argument. Stimmt ja auch irgendwie. Dabei verkenne ich aber zwei wichtige Dinge:
    Ich bin eben nicht allein. Ich bin Teil der kritischen Masse. Ich wirke ja bereits. Negativ und positiv. Wenn ich weiterhin so lebe, wie ich nun mal leben möchte, dann vergrößere ich die bestehenden Probleme. Wenn ich weiterhin so viel Auto fahre, dann erhöhe ich das CO2, erhöhe die Nachfrage an der Tankstelle und damit die Preise und finanziere damit Länder und Regimes, mit denen ich politisch gar nicht so recht übereinstimme. Wenn ich endlich aufs Fahrrad komme, dann ist das gut für meine Gesundheit und ich erhöhe letztendlich den Druck auf die Gemeinde hier, mehr Fahrradwege anzulegen und diese besser in Schuss zu halten. Ich verringere den Parksuchverkehr, den Lärm und die Luftverschmutzung. Und die Nachfrage nach Benzin sinkt. Eigentlich logisch.
  • „Es ist eh alles zu spät. Die Krise kommt, das lässt sich doch gar nicht mehr aufhalten.“ Auch beliebt. Stimmt auch. Es geht jetzt darum, zu retten was zu retten ist. Die Krise auszubremsen. FLATTEN THE CURVE hieß es am Anfang von Corona. Zeit gewinnen war damals wichtig, Zeit für Informationen, Zeit für Maßnahmen, Zeit für Impfstoffe. Ich glaube, das gilt jetzt auch.
  • „Sollen doch erst mal die Anderen, ich mach doch schon so viel.“ Stimmt auch, auf den ersten Blick. Wenn ich mich aber so bei den Menschen umsehe, die ich kenne, dann machen die alle ganz schön viel. Ich muss aber genau hinsehen, weil die machen ganz andere Sachen als ich – und vielleicht aus anderen Gründen. Der Wunsch nach Autarkie ist auch ein guter Grund für Photovoltaik, Zisternen, Gemüse aus dem eigenen Garten, Solarheizung, ein E-Auto. Und wenn meine lieben Freunde, die all das machen dann Fleisch essen, in den Urlaub fliegen und es ihnen nicht im Traum einfallen würde Second Hand zu kaufen, ja mei.
  • „Ist doch alles so schön grün hier. Es gibt doch gar kein Problem.“ Ja, leider, alles schön grün – statt bunt. Mir fehlen die Blumen und die Schmetterlinge. Statt dessen seh ich Maisfelder, Fichtenwald, gelegentlich – schön gelb – Sonnenblumenfelder.
  • Und da ist das Problem der „gleitenden Nulllinie“. Faszinierender Gedanke. Wie es früher war, das wissen wir doch gar nicht mehr so genau. Welche Vögel da zur Futterstelle kamen, wie oft wir Rehe, Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rebhühner, Fasane gesehen haben. Welche Blumen am Wegrand wuchsen und welche Käfer gekrabbelt sind. Wir halten die Gegenwart für Normal. Und die Veränderungen zu gestern sind ja auch wirklich winzig. Die Veränderungen zu 1950, das ist schon eine andere Größenordnung. Wie groß waren damals eigentlich die Autos? Die Häuser? Wie oft fuhren wir in Urlaub und wohin? Und wie oft gab es damals Waldbrände und Überschwemmungen? Puh! Keine Ahnung. Und wenn es jetzt in Spanien, Portugal oder Frankreich brennt, oder neulich in Brandenburg, dann ist das das neue Normal. Da regt sich keiner mehr drüber auf, da kenne ich niemanden, der sagen würde. HEY LEUTE, DAS GEHT NICHT, DA MÜSSEN WIR HANDELN!!!!!
  • „So lange es erlaubt ist.“ Ganz traurig. Irgendwie wollen wir gezwungen werden. Wir wissen, wir sollen nicht so schnell fahren, falsch parken, anderen die Vorfahrt nehmen, riskant fahren. Aber hallo: Wo kein Kläger, da kein Richter. Und wenn ich doch mal einen Strafzettel kriege, dann reg ich mich auf. Corona das gleiche Spiel. Wir wissen, dass Masken lästig sind – aber wirklich helfen. Und wenn es gegen andere Viren ist. Aber freiwillig, och nö. Wir wissen inzwischen wahrscheinlich alle, dass Fleisch schlecht für unsere Gesundheit ist, furchtbar für die Tiere, verantwortlich für Hunger im globalen Süden und ökologisch eine Katastrophe. „Aber wenns doch erlaubt ist! Da muss die Regierung klare Regeln schaffen.“ Eigentlich erbärmlich, oder?
  • „Es fehlen noch Informationen. Wir wissen doch gar nicht 100% Bescheid, was zum Aussterben von Tieren oder Pflanzen führt und was wir dagegen machen können.“ Vielleicht wissen wir wirklich nicht 100% Bescheid. Das müssen wir auch nicht. Und das wissen wir sonst auch nicht und handeln trotzdem.

Bonustrack: Lustige Aktion des BUND um auf die wilden Pflanzen in der Stadt hinzuweisen. Da kannst du auch mitmachen. Krautschau.

Spruch des Tages: „Halte dich von negative Leuten fern. Sie haben ein Problem für jede Lösung.“ Albert Einstein zugeschrieben