Gier

Neulich im Café. Ja, es gibt noch Cafés, wenn es auch immer schwerer ist eines zu finden, das offen hat und dann auch noch hineinzudürfen und dann auch noch einen Platz zu finden. 🙂 Aber neulich hat’s geklappt.

Ich saß da und wartete auf meine Freundin. Und so konnte ich wieder mal fremden Menschen zuhören. Mach ich ja eh gerne, weil, neugierig bin ich schon. Und manchmal lern ich auch was dabei – und wenn es über mich selber ist.

Ich versuchs mal gender-neutral 😉

Am Nachbartisch sitzt ein sehr dicker Mensch. Wirklich richtig dick. Was weiß ich, 250 kg? Der arme Stuhl, denk ich mir. Und unterhält sich, also der Mensch. Mit vollem Mund, meistens. Während der Unterhaltung bringt die Bedienung für diesen Menschen noch ein Stück Kuchen, eine heiße Schokolade, einen Eisbecher, eine Waffel und noch eine heiße Schokolade. Nennen wir diesen Menschen „A“.

Wow, denke ich mir. Da geht ganz schön was rein, in diesen Bauch. Teures Hobby.

Die Begleitung (nennen wir diesen Menschen „B“) ist irgendwann besorgt: „Wolltest du nicht endlich abnehmen? Mal ganz abgesehen von der Optik, gesund ist das nicht, was du da machst, oder? Keine guten Vorsätze fürs neue Jahr?“

Die Antwort ist interessant: „Ja klar, will ich abnehmen. Schon lang. Aber ich weiß nicht so recht wie. Ärzte und Freunde und Zeitschriften, alle erzählen mir was Anderes. Lauter unterschiedliche Diäten. Alle puschen sie ihre Favoriten. Und machen die Diäten der Anderen schlecht. Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich glauben soll. Und dann bin ich ja eh chancenlos, so lange die Lebensmittelindustrie soviel Zucker und Fette ins Essen mischt. Da ist doch eh erst mal die Politik gefragt, finde ich.“

B: „Ok, aber du könntest doch wenigstens weniger essen. Das wäre doch ein Anfang?“

A: „Naja, das ist aber echt schwer, wo doch viele Stoffe in der Nahrung sind, die wir angeblich brauchen: 2 mal die Woche fetten Fisch, jeden Tag eine gute Handvoll Nüsse, 5 mal am Tag Obst oder Gemüse. Grünes und rotes und gelbes und blaues Obst und Gemüse noch dazu. Ausreichend Eiweiß und Fette. Ballaststoffe. Und was weiß ich noch. Das muss ich doch erst mal alles essen, oder?“

B: „Ja, stimmt schon, ich frag mich auch oft, wie ich das alles essen soll und trotzdem mein Gewicht halten. Und Bio soll es sein und regional und unverpackt…“

A: „Unverpackt hat den großen Vorteil, dass ich nicht so große Mengen kaufe, bei den verpackten Speisen, das ist doch oft viel zu viel für mich alleine. Und wegwerfen soll/darf ich ja auch nichts.“

B: „Trotzdem, so kann es doch nicht weiter gehen, oder? Willst du nicht wenigstens irgendwas mal ausprobieren, wenigstens anfangen?“

A: „Nee, seh ich gar nicht ein. Solange da nichts wirklich bewiesen ist, warum soll ich mich da irgendwie einschränken. Ich bin doch kein Versuchskaninchen. Und dicke Menschen hat es schon immer gegeben. Das war doch früher sogar erstrebenswert. Und meine Vorfahren waren oft auch richtig dick und sind trotzdem alt geworden.“

B: „Es ist aber doch schon viel bewiesen. Das kannst du doch nicht alles einfach so abtun. Da gibt es so viele Studien. Das sind doch nur ein paar Verweigerer, die den Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit leugnen.“

A guckt in den Geldbeutel. „Ah, super, ein Croissant geht noch, wunderbar. Bedienung! Bitte noch ein Croissant.“

B: „Du willst jetzt wirklich noch ein Croissant hinterher schieben? Du musst doch wirklich pappensatt sein. Machs doch wenigstens nicht noch schlimmer. Oh Hilfe, ich glaub’s nicht!“

A: „Wieso denn nicht, wenn ich es mir doch leisten kann?“

So ging es noch eine Zeit lang. Dann kam zum Glück meine Freundin.

Und was hat das mit mir zu tun? Nee, so dick bin ich wirklich nicht. Aber auch ich habe im letzten Jahr zugenommen. Bremst mich das jetzt aus? Hmm, leider nicht wirklich.

Und ökologisch und global gesehen, ja, da bin ich so „dick“. Hab mehr als die meisten Menschen, will trotzdem immer noch was Neues. Seh die Konsequenzen meines Handelns, red mich trotzdem raus, dass andere noch viel schlimmer sind. Dass die Politik klare Vorgaben machen muss, dass ich alleine eh gar nicht viel machen kann. Und dass ja immer noch genaue Zahlen fehlen. Und was mich bremst – oder auch nicht, das ist oft genug der Blick in den Geldbeutel. Eigentlich traurig, oder?

Naja, immerhin habe ich angefangen.

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Und fürs Lächeln bin ich immer wieder erstaunt, was Menschen tun, um Tieren in Not zu helfen. Diesmal ein Panther in Russland.


6 Kommentare zu „Gier“

  1. Hallo du beobachtende Mithörerin!
    Erstens handelt es sich bei der Person A. und eine Essucht-Erkrankung.
    Zweitens ist das ohne prof.Hilfe kaum zu bewerkstelilgen.
    Drittens hat Person B. aus psychologischer Sicht komplett verkehrt reagiert.
    Mit solchen „Weisheiten“ erreicht man bei solchen Menschen nichts.
    Im Gegenteil – man macht es unter Umständen nur noch schlimmer.
    Liebe Grü0e und Segen!
    M.M.

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  2. Naja, wahrscheinlich fängt jeder mal dünn an. Ob krankhaft oder nicht, wie gehe ich mit den Pfunden um. Mehr vom Gleichen oder doch mal was geändert? Ich wäre gerne schlank, habe aber keine Lust was dafür zu tun. Also bleibt es beim Gleichen, zum Glück mit deutlich weniger als 250 kg.

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